Die Macht der Worte - Sprache als Schlüssel in der Erziehung

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Ich habe diesen Artikel schon im August 2021 geschrieben und jetzt für die Blogparade von Heike Brandl im Oktober 2022 überarbeitet und erweitert.

Jede:r von uns hat sehr wahrscheinlich so einen Satz aus der Kindheit oder Jugend, der prägend war - meist eher negativ als positiv.

  • „Deutsch ist wohl eher nichts für dich.“

  • „Na ein Model wirst du wohl nicht werden in diesem Leben.“

  • „Du bist unmusikalisch.“

  • „Vielleicht probierst du lieber was anderes.“

  • diese Liste könnten wir endlos fortsetzen … schreib mir gern DEINEN Satz in die Kommentare am Ende des Artikels!

Solche Sätze können Therapeut:innen in der Zukunft eine Menge Geld einbringen … wir dürfen uns also unserer Worte und was wir damit bewirken immer bewusst sein.

Was wäre wohl aus Thomas Edison geworden, ohne seine Mutter?

1854 - die Mutter von Thomas Edison (berühmter Erfinder, u.a. der Glühbirne - für alle, die das vielleicht so wie ich nicht wussten 😉) öffnet den Brief vom Direktor der Schule ihres Sohnes, verzieht keine Miene und erzählt ihrem Sohn, dass die Schulleitung sagt, dass er ein Genie ist, zu intelligent für diese Schule und sie ihm da einfach nichts mehr beibringen können. Die Mutter soll doch bitte seine Bildung übernehmen. 

Gesagt, getan …

Die Mutter unterrichtet ihn seither zu Hause und aus dem kleinen Thomas wird ein berühmter Mann und Erfinder

Im Jahre 1905 fällt ihm der Brief von damals wieder zwischen die Finger. Er öffnet ihn und liest das Gegenteil von dem, was seine Mutter ihm damals berichtet hat. In dem Brief steht, dass er zu blöd ist, dass Hopfen und Malz verloren ist und nicht mehr in die Schule zu kommen braucht. Sie soll ihn doch zu Hause unterrichten. 

Jetzt stellen wir uns mal die Entwicklung dieses Mannes vor, wenn ihm seine Mutter das im Alter von 7 Jahren gesagt hätte. 

Er wäre sicher niemals so ein berühmter Mann geworden und wenn doch, dann hätte es ihn viel mehr Energie abverlangt und er hätte immer wieder an sich gezweifelt. So war er fest davon überzeugt, dass er voll schlau und ein Genie ist. Und seine Mutter hat ihn all die Jahre in diesem Glauben bestärkt

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Hast du auch so einen prägenden Satz in deinem Leben erfahren?

Ich habe selbst auch ein Beispiel, dass ich immer mal wieder erwähne. Ich war zwar schon älter, aber die eine oder andere hätte dieser Satz vielleicht zurückgehalten und somit das Leben verändert.

„Das mit den Kindern ist wohl eher nichts für Sie“, meinte meine Praktikumsbegleiterin im zweiten Lehrjahr nach dem Pädiatrie-Praktikum. Ich selbst hatte in den vergangenen vier Wochen des Praktikums für mich beschlossen, dass die Arbeit mit Kindern genau das ist, was ich in Zukunft machen möchte. Zum Glück habe ich nichts auf den Kommentar dieser Dame gegeben und bin nun seit über 20 Jahren Kinderphysiotherapeutin.

Was bedeutet für mich: „Die Sprache als Schlüssel in der Erziehung“?

Vielen Eltern ist gar nicht bewusst, dass sie oft mit einem Satz das Selbstbewusstsein ihres Kindes komplett zerstören können und den weiteren Lebensweg damit erschweren.

Ich erlebe in der Therapie immer wieder, dass Eltern extreme Ansprüche an (sich selbst und) ihre Kinder jeden Alters stellen und überhaupt nicht mit Kleinigkeiten zufrieden sein können. Dabei sind es genau die Kleinigkeiten, die ich immer mit einem Applaus begleite, die den Kindern ein Strahlen ins Gesicht zaubert und sie über sich hinauswachsen lässt.

Wenn ich aber als Kind immer nur höre, dass ich zu blöd bin oder immer schön vorsichtig sein soll, weil es könnte ja was passieren. Dann kann aus mir nur ein ängstlicher und unselbstständiger Erwachsener werden. 

Ich finde es auch nicht in Ordnung, wenn Eltern durch ihre Kinder versuchen, ihre eigene Träume zu leben, die sie selbst nie erreicht haben.

Ich denke, dass viel weniger Menschen im Erwachsenenalter in Therapie wären, wenn wir unsere Worte den Kindern gegenüber ein bisschen weiser wählen würden. 

Das erfordert natürlich auch, dass wir uns mit unseren eigenen Geschichten und Schatten auseinandersetzen, um nicht gleich weiter zu tun wie die Generation unserer Eltern. 

Sprache vs. Körpersprache

Meiner Meinung nach geht es aber im Umgang mit Kindern mehr um das Ungesagte als nur um die Sprache, denn Kinder sind sehr intuitiv und feinfühlig und wissen/ spüren Dinge oft schon, bevor sie von den Eltern bzw. den Bezugspersonen verbalisiert werden.

Deshalb finde ich auch, dass Themen, wie Scheidung, der Tod von Tieren/ Menschen oder Adoption schneller thematisiert werden sollten. Viele Erwachsene wollen die Kinder „schonen“ oder vor Trauer bewahren und erreichen das Gegenteil. Denn Kinder spüren genau, dass etwas nicht passt und beziehen dann alles auf sich. Dann geben sie sich die Schuld, dass die Eltern streiten oder können einfach nicht einordnen, warum sie sich immer so falsch fühlen.

Ich hatte in der Therapie mal ein kleines Mädchen (3 Jahre) mit Rückenschmerzen - was in diesem Alter sehr ungewöhnlich ist. Nach der ersten Therapieeinheit kam mir der Gedanke, dass ich Mutter mal fragen werde, ob ein zweites Kind geplant ist. Bei der zweiten Therapieeinheit kam das Kind dann mit dem Vater und auf meine Frage hin, meinte er: „Ja, die Frau ist schwanger im dritten Monat. Ihr ist oft schlecht, deshalb kommt er heute.“ Meine Frage, ob die Kleine das schon weiß, hat er verneint. Ich habe ihm gesagt: „Aber sie weiß es schon.“ Und das ist sehr wahrscheinlich auch der Grund für ihre Schmerzen. Ein Schrei nach Aufmerksamkeit!

Es war nicht an mir, die ganze Sache zu bewerten, aber ich war schon ein bisschen geschockt, dass das Kind es offiziell auch beim vierten Termin noch nicht wusste und die Eltern bis dahin mit ihr wegen der Rückenschmerzen im Krankenhaus und bei diversen Ärzt:innen waren. Meiner Meinung nach hätte die Wahrheit über den Zustand der Mama ausgereicht.

Achte auch mal bewusst darauf, wie du mit dir selbst sprichst 

Viele von uns haben einen echt unguten Umgang mit uns selbst. 

Schnapp dir ein Journal und schreib (für die nächsten 72 Stunden) über den Tag mal alles auf, was du so über dich selbst denkst und sagst. 

Schreib es auf und dann formuliere es gleich darunter auf eine positive und bestärkende Art.

Also zum Beispiel: 

Aus „Ich krieg einfach nichts auf die Reihe.“ wird „Ich finde immer für alles eine Lösung.“

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Glaube an dich selbst und deine Superpower

Wenn du es in deiner Kindheit nicht so leicht hattest oder keine:n Cheerleader:in hattest - also jemanden, der oder die dir gesagt hat, wie wunderbar und einzigartig du bist, dann such dir einfach jetzt Leute, die das nachholen und dich genauso mögen, wie du eben bist - mit all deinen Ecken und Kanten. Denn genau die machen uns zu einzigartigen Menschen

Sei dir dabei bewusst, dass du der Durchschnitt der 5 Menschen bist, mit denen du die meiste Zeit verbringst. Du kannst also selbst beeinflussen, ob du dich lieber mit positiven und erfolgreichen oder negativen und pessimistischen Menschen umgibst.

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Fazit

Ich erlebe oft, dass vielen Menschen die Macht der Worte gar nicht bewusst ist. Nicht unter uns Erwachsenen und schon gar nicht in Bezug auf den Umgang mit Kindern. In meiner Praxis versuche ich immer wieder auf die richtigen Worte zu achten, denn ich möchte das Kind nicht mit dem Gefühl zurücklassen, dass etwas grob nicht stimmt. Aber andererseits muss ich ja etwas sagen, denn sonst versteht es auch nicht, warum es überhaupt zur Therapie kommen soll.

Ich habe für mich eine Lösung gefunden, indem ich den Eltern ein Video auf meiner Website empfehle, indem ich die Zusammenhänge erkläre, damit ich dann vor dem Kind eine abgeschwächte Form davon erklären kann. Spannenderweise haben fast alle Kinder - egal welches Alters und mit welcher Diagnose sie zu mir kommen, dieselben körperlichen Grundprobleme.

Alles in allem macht mir die Entwicklung unserer Gesellschaft ein bisschen Sorgen, denn alles scheint ein einziger Konkurrenzkampf, ein ewiges Vergleichen und ich würde mich freuen, wenn wir das in den nächsten Jahren wieder ein bisschen verändern würden - für unsere Kinder und deren Gesundheit, aber auch für uns selbst.

Vielleicht nehmen wir uns auch den Spruch von Herbert Renz Polster zu herzen und machen es besser mit unseren Kindern …

„Eine Generation, die zunehmend in den besten Lebensjahren mit Burnout zu kämpfen hat, entwirft für ihre eigenen Kinder einen Lebensweg mit noch mehr Tempo, noch mehr Leistung, noch mehr ‚Förderung‘. Sie funktioniert Kindergärten und Schulen um, weil sie glaubt, Kinder, die früh Mathematik lernen, seien schneller am Ziel. Moment einmal - an welchem Ziel?“

Was bedeutet für dich die Sprache als Schlüssel in der Erziehung?

 
 
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