Verena Schmalz

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Warum ich keine Heldin mehr sein möchte

Als ich Ende letzten Jahres meiner Reinigungskraft in der Praxis eine E-Mail schreiben wollte, um ihr von ihrer diesjährigen Gehaltserhöhung zu berichten, musste ich sehr aufpassen bei meiner Wortwahl, um nicht in die Rolle der Heldin, die ihr jetzt „gnädigerweise“ mehr Geld zahlt, zu verfallen. Es hat mich einige Zeit gebraucht, diese E-Mail zu schreiben. Am Ende war es eine eher nüchterne Aussage oder besser Information. Sie hat sich natürlich darüber gefreut. 

Was ist das Dramadreieck

Das Dramadreieck beschreibt ein grundlegendes Beziehungsmuster, wir kennen es auch aus vielen Märchen und Held:innensagen, zwischen mindestens zwei Personen, die im Rahmen dieser Beziehung drei verschiedene Rollen einnehmen können. 

Entweder ist man das Opfer, der oder die Held:in oder ein Bösewicht. 

Die Mitspieler:innen im Dramadreieck

Als Erstes ist da das Opfer, dass sich immer im Nachteil sieht und die Ursachen für das eigene Leiden immer im Außen und bei den anderen Menschen sucht. Selbstreflexion ist eher ein Fremdwort. Nachdem das Opfer oft in negativen Gedankenschleifen gefangen ist, wird es auch immer wieder bestätigt, denn wenn ich negative Energien aussende, im Mangel lebe und immer das Schlimmste annehme, dann entsprechen die Entscheidungen und Taten meist auch der Mangelenergie. Nachdem Energie dem Fokus folgt, bekomme ich dann eben auch nur Mangel und negative Ereignisse in meinem Leben. Machst du dein Glück und deinen Selbstwert noch von anderen abhängig? Dann bist du auch eher in der Opferrolle, denn du kannst nur enttäuscht werden, wenn du einen anderen Menschen dafür braucht, um glücklich zu sein. 

Als Zweites ist da ein:e Held:in. Sie oder er rettet das arme Opfer aus der misslichen Lage, weil es das ja nicht allein niemals schaffen kann. Das ist eine scheinheilige Rolle, denn niemand sollte von jemand anderem abhängig sein. Die Person des Helden trägt dazu bei, dass das Drama immer aufrechterhalten wird. Solange das Opfer nicht in die Selbstwirksamkeit kommt, bleibt diese Abhängigkeit bestehen. Viele Held:innen holen sich ihre Anerkennung von den Opfern - und das Opfer setzt dann den Helden oder die Heldin auf einen (unerreichbaren) Thron. Ermutige dein Gegenüber, aber mache niemanden von dir und deinen Zuwendungen abhängig. Kümmere dich mehr um deine eigenen Sorgen und Probleme und definiere dich nicht über deinen guten Taten für andere. 


Und zu guter Letzt kommt noch der Bösewicht. Oft ist das eine Person, die in der Hierarchie über uns steht. Das kann zum Beispiel ein:e Chef:in sein, Lehrer:innen oder die Eltern. Der Bösewicht sorgt erst dafür, dass es ein Opfer gibt. Menschen, die sehr leicht wütend werden, andere Menschen niedermachen und sich nicht unterordnen wollen, sind oft die Bösewichte. Das Opfer ordnet sich dem Bösewicht immer unter und lässt sich immer wieder demütigen, damit es sich weiter im Selbstmitleid suhlen kann. 

Jeder Mensch kann alle drei Rollen annehmen und oft spielen wir in verschiedenen Lebensbereichen verschiedene Rollen. Es gibt z.B. viele Frauen, die in ihrem Beruf die Heldin (aus)spielen, immer andere erretten müssen und sich zu Hause eher in der Opferrolle (Abhängigkeit von ihrem Mann) befinden. Auch kann es dir passieren, dass du innerhalb einer Situation von einer in die andere Rolle verfällst und es gar nicht gleich merkst. Gerade warst du noch ein:e Held:in und schon bist du ein Bösewicht, weil dein Opfer deine Hilfe gar nicht haben will. 

Schau dir mal deine Lebensbereiche an und reflektiere, in welchem Bereich du welche Rolle einnimmst. 

Du kannst niemanden retten, der oder die nicht gerettet werden möchte

Wenn du Menschen immer alles abnimmst, Schulden zahlst, Geld leihst, ... müssen sie nicht selbst aktiv werden. Es schwächt sie in ihrer Selbstverantwortung, bringt sie nicht ins Tun und belässt sie in ihrer Opferrolle. Du hilft ihnen oft mehr, wenn du (liebevoll) NEIN sagst und ihnen aber deine Hilfe/ Unterstützung auf anderer Ebene zusicherst. 

Ich weiß, es ist sehr, sehr schwer jemanden, den man liebt leiden zu sehen, aber ich denke, dass viele Menschen den Fall ins tiefe schwarze Loch oder eine schwere Erkrankung brauchen, um „aufzuwachen“.

Du kannst das deinem Gegenüber nicht abnehmen, denn jede Person hat ihren eigenen individuellen Lebensweg und somit Erfahrungen, die er oder sie am Weg machen muss. 

Wie du aus dem Dramadreieck aussteigen kannst

Beobachte, halte inne und tritt aus der Situation heraus

Wenn du einmal anfängst, dich mit diesem Thema zu beschäftigen, wird dir immer mehr auffallen, wie oft dich Menschen im Außen (unbewusst) in dieses Dramadreieck hineinziehen wollen. Ich lese inzwischen Mails und Nachrichten zweimal durch, um neutral zu sein und eben nicht als Held:in, Opfer oder Bösewicht aus der Situation hervorzugehen. 

Auch als ich das noch nicht so aktiv gelebt habe, hatte ich mir abgewöhnt, in der Emotion (die vielleicht eine Nachricht in mir auslöst) zurückzuschreiben. Ich habe das Handy immer kurz weggelegt und die Emotionen vorbeiziehen lassen, um dann in einer neutraleren Weise zu antworten. Inzwischen habe ich viel weniger Missverständnisse oder Konflikte in meinem Umfeld. 

Es lohnt sich auf jeden Fall mal genauer hinzuschauen…

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