Verena Schmalz

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Mein Weg in die Selbstständigkeit

Gestartet bin ich im Jahre 2011 (neben meiner Anstellung) - es sollte aber noch 8 Jahre dauern, bis ich mich in die vollständige Selbstständigkeit getraut habe. In all den Jahren hatte ich immer den Satz von selbstständigen Kolleginnen und Kollegen im Ohr: 

“Ich gehe NIE wieder zurück ins Angestelltenverhältnis.”

Damals wusste ich noch nichtso recht, was sie meinen - am 1.3.2019 wusste ich es 😉. Aber wie immer gibt es für alles genau den richtigen Zeitpunkt und viele Learnings am Wege dahin. 

“Nicht das Ziel ist wichtig, sondern wer DU auf deinem Weg wirst.” 

Ausgleich zum Arbeitsalltag

Nach über 5 Jahren in einem Ambulatorium hier in Graz, habe ich im September 2008, damals mit 30 Stunden im Mosaik begonnen. Das ist eine Einrichtung, in der ausschließlich Kinder und Jugendliche mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen ambulant betreut werden. 

Ich hatte ein kleines feines Team und immer nette Chefs, aber die Arbeit war schon oft eine Herausforderung - vor allem für meine Psyche. Zusätzlich bin ich gependelt, dieser Stundengewinn (oder damals eben eher der Verlust) in der Woche ist mir erst so richtig bewusst geworden, als ich dann 10 Jahre später gekündigt habe. 

Einerseits wusste ich, dass die Fortschritte bei diesen Kindern kleiner sind und ich selbst kann auch wunderbar zufrieden sein mit Kleinigkeiten und diese jubelnd in den Vordergrund stellen. 

Das fällt den Eltern allerdings nicht immer leicht, was ich auch verstehen kann. Das Wissen um eine Beeinträchtigung, welcher Art auch immer “macht oft den Deckel zu” - zu dem, was wir für möglich halten. 

Von Seiten der Eltern kam also entweder nicht der gewünschte Einsatz oder die Mitarbeit, um beim Kind noch mehr möglich zu machen oder extremer Druck, Dinge möglich zu machen, die einfach nicht möglich sind aufgrund des Grades der Beeinträchtigung.

Start in einer Arzt-Praxis - 2011

Also habe ich einen Ausgleich gesucht und wollte auch mal Babys, die „nur“ einen schiefen Kopf hatten oder eine Entwicklungsverzögerung. 

Damit einhergehend schnelle Verbesserungen. Ich muss dazu sagen, dass wir die Kinder im Mosaik teilweise jahrelang hatten und sie innerhalb eines Schuljahres immer am selben Tag zur selben Zeit dran waren. Oft war da auch schon zu viel Routine drin. 

Ich suchte also die Abwechslung

Eine eigene Praxis aufzumachen, wäre mir damals nicht im Traum eingefallen 😂. Also habe ich einige Kinderärztinnen und Ärzte besucht und gefragt, ob sie an einer Zusammenarbeit interessiert sind und Räumlichkeiten zu vermieten haben. Ich wurde schnell fündig und war froh über eine Pauschalmiete und die Möglichkeit, jeden Tag Zutritt zur Praxis zu haben, wenn der Arzt selbst keine Ordination hatte. Aufgrund dieser bequemen Pauschalmiete tat sich allerdings ein Jahr nichts, denn es bestand ja kein „Druck“ vonseiten des Arztes, mir Patienten zu überweisen. 

Parallel habe ich meine Website mit Jimdo selbst gebastelt. Diese Arbeit sollte sich aber erst später merklich auszahlen. 

Nach einem Jahr nur Miete zahlen in der Ordination, hatte ich endlich die ersten kleinen Patienten. Ich hätte vorher auch schon Erwachsene behandeln können, das habe ich aber bewusst nicht gemacht, obwohl das Geld fein gewesen wäre. Ich wollte schon immer nur mit Kindern arbeiten und bin dem einfach treu geblieben. 

Ich wünschte, ich hätte damals schon gewusst, dass das Wichtigste an der Website die Blog-Funktion und damit das Informieren der Eltern ist. Das hat dann doch noch einige Jahre (2019) gedauert 😉. Aber nachdem nur wenige Therapeutinnen und Therapeuten überhaupt eine eigene Website haben, wurde ich von den Eltern im Internet gut gefunden. 

Ein Problem gab es allerdings in der Arzt-Praxis - einige Kinder haben erst mal ein/ zwei Einheiten gebraucht, um zu checken, dass ich nicht der Arzt mit der Spritze bin 😉 und waren somit immer ein bisschen unruhiger als nötig. Kinder sind da echt sehr sensibel und erkennen die Umgebung und den Geruch sofort wieder. 

Nachdem es aber für mich damals NOCH keine Alternativen gab, bin ich geblieben, war froh um die Möglichkeit und habe weiter gemacht.

Erste Gemeinschaftspraxis zu zweit

Im Frühsommer 2014 hatte ich dann genug davon, die Sachen in der Ordination immer hin und her zu räumen und wollte etwas verändern.

Ich war sehr dankbar für den Raum, den ich nutzen durfte, aber übermäßig viele Patienten hat mir diese Zusammenarbeit mit dem Arzt nicht eingebracht, denn die meisten kamen die Eltern trotz allem über meine Website und nicht aufgrund von ärztlicher Empfehlung. 

Und das, obwohl ich (fast) alle Kinderärzte und Kinderärztinnen in Graz und Umgebung inzwischen persönlich getroffen hatte. Viele hatten schon ihre eine Lieblingstherapeutin und da war kein Platz für Neues. Im Internet wurde ich von den Eltern gut gefunden, da viele Therapeutinnen, wie vorher schon erwähnt, keine eigene Website hatten und ich somit schnell auf Platz 1 in der Googlesuche war. 

Aus dieser allgemeinen Frustration heraus ergab sich an einem sonnigen Tag am Felsen beim Klettern eine Idee, die ich mit einer Kollegin dann auch umgesetzt habe.

So entstand im August 2014 die Praxis Octopus, die es auch heute noch gibt. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich im Mosaik schon auf 50 % und somit 20 Stunden reduziert. Das habe ich dann auch bis zu meiner kompletten Selbstständigkeit beibehalten. 

Wenn ich heute daran zurückdenke, bin ich dankbar für die Erfahrungen, denn ohne diese hätte ich mich zwei Jahre später sicher auch noch nicht getraut, alleine eine Praxisgemeinschaft zu eröffnen. Ich hätte es allerdings nicht so lange in einer Situation aushalten müssen, die für mich sehr unbefriedigend und deprimierend war. 

Im Nachhinein auch spannend, dass ich dieses Gemeinschaftsprojekt im Jahre 2014 mit der Kollegin gestartet habe und sie bis zu diesem Zeitpunkt nur 2x gesehen und gesprochen hatte. Wenn wir uns näher gekannt hätten, wäre es sicher nicht zu dieser Zusammenarbeit bzw. Erfahrung gekommen.

Aber wie gesagt, ich glaube nicht an Zufälle und sehe es als einen kleinen Umweg am Weg zu meiner eigenen Wunsch-Praxis 😏.

Gemeinschaftspraxis - aber diesmal allein

Zumindest auf dem Mietvertrag … Denn dass ich in 3 Räumen nicht die einzige Therapeutin sein werde, war ja klar. 

Im Frühjahr 2016 hatte ich endgültig genug und habe die Zusammenarbeit beendet. Da sie die Hauptmieterin der Praxis war, musste ich gehen und mir etwas Neues suchen. Ich habe lange hin und her überlegt, ob ich mich in einer anderen Praxis einmieten soll oder was Eigenes machen soll. 

Lange war ich auf der Suche und habe einige Praxen und unzählige Wohnungen angeschaut:

  • entweder waren sie zu klein

  • der Vorraum/ Wartezimmer hat gefehlt

  • die Küchenzeile war im Zimmer oder

  • die Zimmer nicht einzeln begehbar

Nichts hat gepasst, ich wollte in kein vorgefertigtes Zimmer und ich war schon kurz vorm Verzweifeln, als mir meine Traum-Praxis (na ja bis auf das Parkplatz-Problem 😉) an einem Samstagvormittag über den Weg gelaufen ist. 

Mitten in der Grazer Innenstadt, gleich beim Kaiser-Josef-Platz und der Oper - ich kam rein und war verliebt. Ich konnte mir die ganze Sache nur leisten, weil die privaten Vermieter nur eine Monatsmiete Kaution haben wollten und nicht 3 wie sonst üblich (bei den meisten Wohnungen waren dann auch noch 3 MM Provision von Maklern dabei). 

Da saß ich also nun in meiner neuen Praxis und hatte zum Glück die Sommerferien (die ich ja im Mosaik immer freihatte) Zeit, um alles einzurichten und so zu gestalten, wie es mir gefällt.

Entgegen meiner anfänglichen Angst, niemanden zu finden und finanziell nicht lange durchhalten zu können, hatte ich schnell 2-3 Mieterinnen in der Praxis und somit war dieser Stress gleich mal weg. Seither ist es ein Kommen und Gehen, meist weil Babys in diese Welt kommen möchten 😉. Aber einige Mieterinnen sind schon sehr lange dabei. Wenn eine kündigt, dann habe ich inzwischen immer das Vertrauen, dass jemand nachkommen wird. 

Die Einweihungsfeier der Praxis war dann am 19.10.2016

Ich hoffe sehr, dass wir dieses Jahr (2021) unser 5-jähriges Jubiläum (irgendwie) feiern können. Und wenn es nur eine private Party der Therapeutinnen auf unserem Balkon wird.

Und plötzlich war er da ...

... der Moment, an dem ich wusste, ich muss kündigen, wenn ich mir selbst treu bleiben und mich weiterentwickeln will. 

Ich kann mich noch erinnern, wie ich im Dezember 2018 zum Betriebsratschef gegangen bin und sagte, ich werde kündigen. Er und auch niemand hat versucht, mich zu überreden, doch zu bleiben oder es mir noch mal zu überlegen. Entweder waren alle froh, dass ich gegangen bin oder ich war einfach so klar in meiner Entscheidung 😉. Ich tippe (und hoffe) auf Zweiteres 😉.

Die beste Entscheidung meines Lebens

Auch nach einem persönlichen Neustart im Januar 2019, kurz nach Silvester, habe ich meine Kündigung nicht noch mal überdenken müssen.

Für meine neue Wohnung hatte ich gerade noch die Einkommensnachweise von November bis Januar vom Mosaik 😉. Ich weiß nicht, ob ich als Selbstständige die Wohnung auch bekommen hätte.

Und dann war er da - der 1.3.2019 - an diesem Tag habe ich mich zu 100 % selbstständig gemacht.

  • keine (vermeintliche) finanzielle Sicherheit mehr im Hintergrund

  • keine (bezahlten) Ferien mehr

  • kein 13. und 14. Gehalt mehr

Aber all das war mir egal und das war für mich das beste Zeichen, dass es genau die richtige Entscheidung war. Inzwischen frage ich mich sogar, warum ich es nicht schon viel früher gemacht habe. 

Aber es hat jeden einzelnen Tag am Wege gebraucht, um sicher zu sein, dass es die einzig richtige Entscheidung ist. 

Corona hat mich (ganz) kurz zittern lassen, aber auch da war schnell klar, dass alles gut wird. Ich habe im letzten Jahr mehr verdient als im Jahr zuvor und das trotz 6 Wochen Pause im ersten Lockdown. 

Verlängerung Mietvertrag 2021

Am 12.5.21 (cooles Datum) habe ich meinen Mietvertrag für die Praxis noch mal um 5 Jahre verlängert

Jetzt im Sommer gibt es wieder einige, die die Praxis verlassen und Neue, die sie in Zukunft bereichern werden.

Ich freu mich drauf und bin sehr dankbar für meine tollen Mieterinnen

Auf die nächsten 5 Jahre 🥂🍸🎉

Update November 2023:

Zu den 5 Jahren ist es dann nicht mehr gekommen, nachdem ich am 28.12.2021 beschlossen habe, nach Norwegen auszuwandern. Seit März 2023 lebe ich in Gravdal auf den Lofoten und liebe es. Zurzeit mache ich Kinderphysio nur online, aber auch das passt sehr gut für mich.

Die Praxis gibt es nach wie vor und die Ablöse hat mir meine Auswanderung ermöglicht. Wunderbar, wie alles zusammenpasst am Ende … Vertraue immer darauf!

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